Wegweiser zur digitalen Transformation

 Wegweiser zur digitalen Transformation

Die Digitalisierung ist Chance und Bedrohung für jedes Unternehmen. Die Herausforderung liegt in der digitalen Transformation, dem Wandel von der analogen Organisation hin zu einem plattformorientierten Geschäftsmodell. Um die Vielschichtigkeit des Vorhabens kontrollieren zu können, verlangen Unternehmer nach einem geordneten Vorgehen. Digital Action ist der Wegweiser zur digitalen Transformation.

DOI: 10.53176/204

Es ist möglich, die Digitalisierung zu ignorieren, doch früher oder später wird sie jedes Unternehmen erreichen. Sie kann auch beobachtet werden, doch sie wird schnell und radikal zuschlagen. Daher ist es ratsam, sich vorzubereiten, um zu überleben oder aber voranzugehen, um zu dominieren. Welche Motivation haben Sie?

Nicht die Technologie zwingt uns zu handeln, sondern die neue Produktivität, welche daraus entsteht. Die Digitalisierung ist ein epochaler Produktivitätssprung mit dem Charakter einer industriellen Revolution. Kann ein Unternehmen gleichzeitig seine Produktivität steigern, die Kosten senken und den Customer Value anheben, ist es gezwungen zu handeln. Es gilt, das Unternehmen schnell und sicher auf das neue Produktivitätslevel zu heben.

Die Dominanz ist ein interessantes Phänomen, denn bei digitalen Geschäftsmodellen gibt es mittelfristig nur einen Gewinner. Jeder neue Kunde und jede weitere Transaktion senken die Grenzkosten weiter. Das Unternehmen mit der größten Ausbringungsmenge verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil, der letztlich zur Dominanz führt. Hierfür braucht es ein Beschleunigungskonzept, welches ein elementarer Teil der digitalen Strategie ist.

Dieser Artikel beschreibt anhand einer einfachen Pyramide, wie Unternehmer ihre individuelle digitale Strategie entwickeln und realisieren können. Er ist der finale Baustein einer vierteiligen Beitragsreihe, welche die Digitalisierung erfasst, erklärt und ordnet. Mit dem Vorgehensmodell – Digital Action – wird das Mysterium der Digitalisierung aufgelöst und ein Weg in die digitale Zukunft gezeichnet.

Impuls des Unternehmers

Intensive Gespräche haben gezeigt, dass Mitarbeiter Investitionen in die Zukunft fordern, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Das Management könnte einen Impuls liefern, ist an Innovationen interessiert, hat am Ende jedoch keine Durchsetzungskraft. Das Top-Management wäre der ideale Initiator, scheut aber Risiken.

Es gibt die Möglichkeit, auf Führungsebene anhand von rationalen Argumenten die Situation, den Nutzen, das Risiko und natürlich das Vorgehen darzulegen. Ein Business Case wird eröffnet, welcher als Entscheidungsgrundlage dient. Dieser Weg ist jedoch zeitraubend und mühsam.

Der Impuls einer Einzelperson ist eine kreative Möglichkeit. Denn Gedanken sind frei: Sie reflektieren Situationen, suchen Lösungen und projizieren Ideen. In der Vorstellungskraft entsteht ein schemenhaftes Konstrukt, welches sich auf dem Papier zu einer Vision entwickelt. Ist diese Person der Unternehmer, hat er auch die notwendige Durchsetzungskraft für weitere Schritte.

Die digitale Transformation ist eine proaktive Handlung. Sie kann durch eine rationale Entscheidung oder einen Impuls initiiert werden. Ist die Willensbekundung gefestigt, braucht es geordnete Strukturen, um die Transformation zu planen.

Mehrstufige Strategieentwicklung

Die Entwicklung der digitalen Strategie ist ein mehrstufiger Prozess, der verschiedene interdisziplinäre Fähigkeiten voraussetzt. Er gibt Antworten auf die strategischen, organisatorischen und technologischen Aspekte der digitalen Transformation. Die Planung über alle Ebenen ist obligatorisch, um das Vorhaben zu entwickeln, zu prüfen und um den Umfang sowie seine Wirkung zu bestimmen.

Bei der Transformation wird im Gegensatz zu einem Start-up auf die bestehende Organisation aufgebaut. Dieses Vorgehen birgt Vorteile. So besitzt das Unternehmen eine Reputation, einen Kundenstamm, eine Organisation und Mitarbeiter. Ein Start-up beginnt dagegen ohne Struktur und Historie, was ebenfalls ein Vorteil sein kann.

Auf der strategischen Ebene wird zunächst die Vision skizziert und das digitale Geschäftsmodell bestimmt. Danach gilt es, neben den operativen Prozessen die unterstützenden Prozesse zu beschreiben. Auf der technologischen Ebene wird das Zusammenspiel der IT-Systemarchitektur geplant. Ist das Konstrukt fixiert, wird in v-förmigen Iterationen die Strategie verfeinert.

Die Planung über alle Ebenen gibt einen qualitativen und quantitativen Überblick über das Vorhaben. Eine stetige Reflexion anhand der Nutzenargumente [1] sowie der fünf Gesetze der Digitalisierung [2] bringen Sicherheit in der Strategieentwicklung.

Green Field vs. Brown Field

Eine wichtige Frage in der Umsetzung digitaler Strategien ist die des zu wählenden Vorgehens. Soll das Projekt in Form eines Start-ups aufgesetzt oder die bestehende Organisation transformiert werden? In der Architektur spricht man von einem Green-Field- bzw. einem Brown-Field-Ansatz.

Das Start-up bietet die Möglichkeit, alle Aktivitäten auf die Realisierung der digitalen Plattform zu konzentrieren. Mit dem Neustart werden alte Tabus gebrochen und der Ballast (Kultur, Prozesse, Systeme) wird zurückgelassen.

Die digitale Transformation dagegen recycelt die Strukturen des analogen Unternehmens und ersetzt bestehende Prozesse durch die digitale Plattform. Hierfür sind Eingriffe in die Unternehmenskultur, die operativen Prozesse und die IT-Systeme notwendig. Dafür besitzt das Unternehmen aktive Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und Partnern.

Bei Plattformen, die für ein rein digitales Gut konzipiert werden, überzeugt der Green-Field-Ansatz. Digitale Güter sind, in den beiden wichtigen Funktionen Distribution und Produktion, mit der Plattform verbunden und brauchen nur geringe unterstützende Strukturen.

Die Brown-Field-Strategie überzeugt bei Unternehmen, die ein physisches Produkt herstellen, vertreiben oder Dienstleistungen erbringen. Hier werden große Teile der bereits vorhandenen Strukturen (Produktion, Einkauf, Logistik) wiederverwendet.

Digital-Action-Methode

Aufgrund der Vielschichtigkeit suchen Unternehmer einen Wegweiser. Sie verlangen nach Orientierung, um in einem komplexen Vorhaben navigieren zu können. Ein strukturiertes Vorgehen bringt ihnen Sicherheit. Wie behalten Unternehmer die Kontrolle?

Digital Action ist das erste Vorgehensmodell, das alle Aspekte der Strategiefindung einschließt.

Es berücksichtigt die strategische, organisatorische und technologische Ausrichtung des Unternehmens. Die Entwicklung der digitalen Strategie erfolgt Top-down, während in der Umsetzung das Vorgehen Button-up bevorzugt wird. Es ist erforderlich, alle fünf Layer zu betrachten, um die Maßnahmen zu identifizieren und den Aufwand zu quantifizieren.

Digital Action Methode

Die Pyramide ist angelehnt an das Vorgehen für die Implementierung von betriebswirtschaftlich genutzter Informationstechnologie: Strategie, Prozesse und Systeme. Im Hinblick auf die Besonderheiten der Digitalisierung wurden zwei zusätzliche Ebenen eingefügt. Neu ist die Ebene Business Model Design. Hierbei wird das digitale und möglicherweise disruptive Geschäftsmodell entworfen. Auf der technologischen Ebene fokussiert das Modell auf die gesamte IT-Infrastruktur und unterteilt diese in drei weitere Cluster.

Die Beschriftung auf der rechten Seite der Pyramide ordnet das Vorgehen den Begrifflichkeiten der Digitalisierung zu. Der Spark ist der zündende Funke. Die Disruption beginnt mit der Vision und manifestiert sich im digitalen Geschäftsmodell. Die Transformation umfasst die Organisation, die Prozesse und die Systeme. Die Digitalisierung umspannt die Speicherung, Verarbeitung und den Austausch von Informationen.

Das Vorgehen ist als Pyramide visualisiert, da die Anpassung der Organisation größeren Aufwand und die Neuausrichtung der IT-Infrastruktur in der Regel den größten Aufwand darstellt. Der Realisierungsaufwand nimmt mit dem Detaillierungsgrad zu. Folgende Elemente dienen der Strategieentwicklung:

#1 Vision

Jedes Vorhaben braucht einen Auslöser, einen Impuls oder Funken. Ist dieser Funke vorhanden, können die ersten Gedanken beschrieben, visualisiert und weiterentwickelt werden. Die Initiatoren beschreiben in Worten, Bildern und Geschichten ihre zukünftige Vision des digitalen Geschäftsmodells. Die Vision oder die Visionen dienen als Ausgangpunkte für die Gestaltung der Geschäftsmodelle.

#2 Business Model Design

Das digitale Geschäftsmodell ist der Schlüssel. Anhand der Business-Canvas-Methode [3] und der dazugehörigen klaren Value Proposition [4] werden die Geschäftsmodelle entwickelt und geprüft. Es gilt, dem Kunden ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes digitales Angebot zu unterbreiten. Das neue Geschäftsmodell reift über verschiedene Sessions und wird stetig revidiert – bis es die notwendige Stabilität erreicht hat.

#3 Business Prozess Reengineering

Aus den Geschäftsmodellen werden Geschäftsprozesse formuliert, damit die digitale Strategie in die Organisation integriert wird. Das Business Process Reengineering nach Hammer und Champy [5] bietet einen bewährten Ansatz Prozesse neu zu denken. Die Plattform erfordert Prozesse für deren Entwicklung, Betrieb und Wartung sowie eine Anbindung an die bestehende Organisation.

#4 Enterprise Architecture

Der Grundgedanke der Digitalisierung ist eine elektronische Plattform, auf der Kunden und Unternehmen miteinander interagieren. Für den Aufbau einer Plattform benötigen Unternehmen neue Technologien wie Cloud, Web und App. Die bestehende IT-Infrastruktur kann dies oft nicht leisten, daher geht es um die Neuordnung der Systemlandschaft.

#5 Master Data Management

Die Digitalisierung braucht gut ausgeprägte und saubere Informationen. Das Master Data Management umfasst die Verwaltung aller Kunden-, Artikel-, Preis- und Transaktionsdaten. Die Harmonisierung der bestehenden Datenquellen in einen Golden Record ist mühsam und zeitaufwendig. Es ist aber unerlässlich, alle im Prozess benötigten Informationen digital aufzubereiten.

#6 Business Application

Jedes Unternehmen besitzt bereits eine Vielzahl an Geschäftsanwendungen. Für die Umsetzung der digitalen Strategie wird geprüft, inwiefern die bestehenden Systeme einen digitalen Prozess unterstützen. Das Ergebnis ist ein Maßnahmenkatalog zum Ausbau der bestehenden Systeme oder zu gezielten Investitionen in neue Systeme.

#7 Enterprise Application Integration

Für die Umsetzung der digitalen Strategie ist es notwendig, die verschiedenen Geschäftsanwendungen miteinander zu verbinden. Die Integration der Systeme ist erforderlich, um die jeweilige Pflege und Verteilung der Master Data zu gewährleisten. Des Weiteren wird der digitale Prozess funktional auf die dafür prädestinierten Applikationen gemappt.

Dominanz ist das Ziel

Digitale Geschäftsmodelle steigern die Produktivität, senken die Kosten und erhöhen den Customer Value. Ein traditionelles Unternehmen kann diesen Produktivitätssprung nicht mitgehen. Deshalb gilt es, das eigene Unternehmen kontrolliert auf das neue Produktivitätslevel zu heben.

Die digitale Transformation ist die Aufgabe. Sie beschreibt den Wandel von einer analogen Organisation hin zu einem digitalen Geschäftsmodell. Die Transformation umfasst die strategische, organisatorische und technologische Neuausrichtung des Unternehmens.

Die angestrebte Dominanz braucht Beschleunigung, eine Explosion des Transaktionsvolumens. Mit einfacher Beschleunigung [6] sinken die Grenzkosten weiter und mit doppelter Beschleunigung [7] wächst der Customer Value zusätzlich. „ The Winner takes it all “, heißt das bekannte Phänomen [8], das die Dominanz zum Ziel erhebt.

Weitere Publikationen

Literaturverzeichnis

[1] Bauriedel , S. - Die drei Killerargumente für die Digitalisierung.

[2] Bauriedel , S. - Die fünf Gesetze der Digitalisierung.

[3] Osterwalder, A. und Y. Pigneur. - Business Model Generation.

[4] Osterwalder, A., Y. Pigneur, G. Bernarda und A. Smith. - Value Proposition Design.

[5] Hammer , M. und J. Champy. - Reengineering the Corporation.

[6] Clement, R., D. Schreiber und P. Bossauer. - Internet-Ökonomie. S. 69.

[7] Challagalla, G. - Disrupting the Disruptors [Vortrag].

[8] Clement, R., D. Schreiber und P. Bossauer. - Internet-Ökonomie. S. 239–240.